Esche mit Elektroantrieb
Fast zwei Millionen Elektrofahrräder sind derzeit auf Deutschlands Straßen unterwegs. Und noch längst ist kein Ende des E-Bike-Booms in Sicht. Eine Arbeitsgruppe des Fachbereiches Holztechnik von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) hat die technologischen Rahmenbedingungen für ein Elektrorad aus regionalem Eschenholz untersucht.
Das Zweirad, das seit 2015 von dem mittelständischen Berliner Möbelbauer System 180 in Serie produziert und dessen Tochter aceteam designt und vertrieben wird, weist einen besonderen Clou auf: Alle elektrischen und Steuerungskomponenten sind komplett im hölzernen Gehäuse verschwunden. Das „Wood E-Bike“ – so der Arbeitstitel – besticht dabei durch eine Formensprache, die die Ästhetik historischer Laufräder mit einem avantgardistischen Anspruch verbindet.
Nachhaltige Werkstoffe wie Holz werden großgeschrieben an der HNEE in Eberswalde. „Nahe am Wald gebaut“ ist folgerichtig auch das forsthausähnliche Gebäude aus dem Jahr 1937, in dem Prof. Dr.-Ing. Alexander Pfriem sein Büro hat. Pfriem ist Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer und leitet die Arbeitsgruppe „Holzchemie und Holzphysik“.
„Das Elektrorad aus Holz soll dazu beitragen, den Carbon-Footprint eines herkömmlichen Fahrrads deutlich zu reduzieren“, so Professor Pfriem.
HNEE trifft innovativen Industriepartner
In dem Berliner Unternehmen System 180, einem Hersteller von Vitrinen und Regalsystemen für Ausstellungen und Museen, fand die HNEE-Arbeitsgruppe einen aufgeschlossenen Partner. Neben ihrem Hauptgeschäft beschäftigte sich die Firma nämlich seit längerem mit dem Thema „Elektromobilität“. „Daraus erwuchs die Idee, das gemeinsame Projekt ‚Wood E-Bike‘ zu initiieren“, erinnert sich Moritz Sanne, wissenschaftlicher Mitarbeiter der HNEE. Möglich machte dies die Förderung durch das Programm „Zentrales Innovationsmanagement Mittelstand“ (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums.
Am Anfang stand eine sorgfältige Materialforschung durch die Eberswalder Wissenschaftler – bald fiel die Wahl auf einheimische Esche. „Esche ist traditionell das Holz der Wagen- und Radmacher, da es hohen dynamischen Beanspruchungen trotzt“, weiß Projektleiter Sanne, der von Hause aus Tischler ist. In der hochschuleigenen Tischlerei wurden auch die Eschenlamellen beleimt und der Gehäuserohling hergestellt. Gemeinsam mit zwei Studierenden führte Sanne unzählige Biegeprüfungen, Zugversuche und Torsionstests durch.
Die Arbeitsgruppe übergab ihrem Industriepartner System 180 Modelle, Rohlinge und Blaupausen, die diesen in die Lage versetzte, das E-Bike nach dem von aceteam entwickelten Design zu fertigen und mit hochwertigen Antriebs- und Steuerungselementen zu bestücken. Als „positiver Nebeneffekt“ wird so die kostspielige computergesteuerte Fräsmaschine des Berliner Systemmöbelherstellers besser ausgelastet.
Für designorientierte Menschen im urbanen Bereich
HNEE und System 180 wollen mit ihrem hölzernen E-Bike, für das noch ein knackiger Name gesucht wird, eine Marktlücke füllen. Als potenzielle Kunden haben die beiden Partner designorientierte, mobilitätsaffine Menschen mit mittellangen Pendelstrecken im großstädtischen Raum ausgemacht.
Gegenüber Designerrädern, die in Manufakturfertigung mit Kleinststückzahlen hergestellt werden, ist der Preis des „Wood E-Bikes“ äußerst wettbewerbsfähig. Es verwendet zudem CO2-bindendes, beständiges Holz anstatt ressourcenintensiverem Metall, ist technisch auf dem neuesten Stand und bietet dank der integrierten Bauweise einen perfekten Schutz der empfindlichen Elektrokomponenten.
Ab 2015 will System 180 zunächst 100 Räder jährlich produzieren. „Wenn die ersten zehn Stück erst einmal verkauft sind, wird das Ganze ein Selbstläufer“, sind sich Prof. Alexander Pfriem und Moritz Sanne sicher. Die positive Resonanz auf Messen und die Nominierung für den Design-Award 2014 deuten jedenfalls in diese Richtung.